Auch meine Jugend zielte in die Ferne ...

Auch meine Jugend zielte in die Ferne,
Ich hab' der Wünsche wilde Kraft geübt,
Und hab' als Mensch auf meinem kleinen Sterne
Die Welt in mir, mich in der Welt geliebt.
Die Frucht ist reif, das Korn ist ausgedroschen,
Und lautlos ging der Sommer wie er kam;
Die kleinen Flackerflammen sind erloschen,
Die einst mein Wahn für Weltenfackeln nahm.
Weg mit der Träne aus dem Aug', dem müden,
Das sehnend noch das Abendrot umwirbt -
Stumm, wunschlos laßt mich eingehn in den Frieden,
Ich möchte sterben, wie der Hindu stirbt!

Wenn fern vom Holzstoß hohe Flammen schlagen,
Läßt sich im Gangestal der kranke Greis
Dem Lichtschein nach zum Uferteppich tragen,
Wo er den Leichnam auf den Scheitern weiß.
Und seine Augen, seine hoffnungsleeren,
Ruh'n aus im Zauber dieses Flammenscheins,
Er sieht die Gluten jenes Herz verzehren,
Das einst geliebt, gehaßt, gehofft, wie seins.
Er sieht die Hölzer sich im Qualme biegen,
Auf denen letzter Menschenrest verdirbt,
Und morgen hofft er, wird er selbst so liegen -
Ich möchte sterben, wie der Hindu stirbt!

O Seligkeit, nichts hinter sich zu lassen,
Was mit Verzweiflungsstimmen nach uns schreit,
Nichts mehr mit letztem Wunsche zu umfassen,
Wenn sie geschäftig schichten Scheit auf Scheit.
Nach heißen Tagen und nach bang durchharrten,
Verwehten Dämm'rungen am Ziel zu stehn,
Die große, schöne, stille Nacht erwarten
Und ihr im Flammenschein entgegengehn - - -
Die Nacht erwartend bei den Feuerblitzen
Des Scheiterhaufens, allen Wahns beraubt,
Möcht' ich am Ganges bei den Gläub'gen sitzen
Und möchte glauben, was ein Hindu glaubt!


  Rudolf Presber . 1868 - 1935

Expressionisten
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