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Media in vita
162 Bücher



Rudolf Presber
Media in vita . 1. Auflage 1902



"Winterstürme wichen dem Wonnemond..."

Wie hat der Lenz so lang' gesäumt,
Jetzt kommt er mit Duft und Fülle.
Die Buche treibt, und die Linde träumt,
Und die Rose sprengt ihre Hülle...

Im Arbeitszimmer sitz' ich allein,
Verschlossen sind Fenster und Türe.
Es schmeichelt durch heimliche Ritzen sich ein
Das Liebeslied aus der "Walküre".

Es schmiegt sich auf Flügeln der Sommernacht
Und flüstert von Frühling und Minne,
Es hat mich um Gleichmut und Ruhe gebracht
Und weckt meine schlummernden Sinne;

Nach meiner ernsten Arbeit zielt's -
Sie rückt nicht mehr von der Stelle;
Dort drüben im "Städtischen Garten" spielt's
Die verflixte Husarenkapelle!

Dort gehn jetzt die Bürschlein mit fadem Scherz,
Pomadisiert und geschniegelt
Und überstolz, wenn ein Kinderherz
Ihre Lüsternheit aufgewiegelt.

Dort sitzt, in die enge Corsage geschnürt,
Bei der Tochter die dicke Matrone;
Die blinzelt ins Glühlicht und schnüffelt und spürt
Nach einem Schwiegersohne.

Dort prunken die Weibchen mit glitzerndem Stein
Und rauschen in echter Seide:
Und die Männer schlappen hinterdrein
Und mauscheln und handeln Getreide.

Ein alter Professor hebt warnend die Hand,
Spricht von Wagner und all seinen Sünden - -
Die Rose steht purpurn im grünen Land,
Heiß duften die träumenden Linden ...

Ich möchte nicht dort sein um Gold und Preis,
Doch lausch' ich von fern der Kapelle;
Ich lausch' ihr so wohlig - ich ahn' und weiß:
Du hörst sie an heimlicher Stelle.

Du sitzt bei der Lampe ... das Fenster klafft ...
Du läßt die Nadel sinken,
Und träumst von meiner Leidenschaft
Und glaubst meine Küsse zu trinken.

Du schließt die Augen ... du schaukelst sacht
Auf heiß vom Wind getragner
Melodischer Liebe... Im Himmel lacht
Der Verführer, der Richard Wagner.

Ich aber, ich kann deine Träume verstehn,
Du ängstlich zitternde Schöne!
Ich fühle von weitem herüberwehn
Die schlimmen, lockenden Töne.

Ich öffne das Fenster... Wie dumpf war's hier! -
Die Sterne lachen ins Zimmer ...
Ich lausche dem Lied ... O, wär' ich bei dir
Diese Nacht - und für immer - für immer!


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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"Winterstürme wichen dem Wonnemond...", Rudolf Presber