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 Rudolf Presber
 Und
all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911
 
 
 
 
 
Schweigen Guten Rednern wird sich neigenRasch bewegter Hörer Gunst;
 Doch zur rechten Zeit zu schweigen,
 Glaubt mir, ist die größ're Kunst.
 Flüchtig Wort hat schon für jeden
 Unkraut in die Saat gestreut -
 Und es hat dich oft dein Reden,
 Doch dein Schweigen nie gereut.
 
 Sieh, du fassest, was entschwunden
 Als ein köstlich reines Licht,
 Reichsten Inhalt hoher Stunden
 In der Worte Schale nicht.
 Wenn das Eitle sich am Ruhme
 Tönender Posaunen freut,
 Ist das Schweigen wie die Blume,
 Die den Duft in Stille streut.
 
 Was du je im Wort erfahren,
 Bleibt so arm und schal und dumm -
 Gott bleibt still seit tausend Jahren,
 Und die Toten liegen stumm.
 Schweigend flutet höchste Wonne,
 Schleicht der tiefste Schmerz daher;
 Schweigend sinkt die heil'ge Sonne
 Abschiednehmend in das Meer.
 
 Seine kümmerlichen Brücken
 Baut aus Worten der Verstand;
 Auf der Sprache schwachen Krücken
 Schleppt die Weisheit sich ins Land.
 Aber wenn im Stundenreigen
 Sanft der Abend dich umspann,
 Blickt entschleiert dich im Schweigen
 Erst die rechte Wahrheit an.
 
 Worte, die den Becher kränzen,
 Hat mir gnädig Gott verliehn;
 Worte, um in frohen Lenzen
 Als Genießer mitzuziehn.
 Doch ich dank's als besten Segen,
 Leuchtend unter flücht'gem Tand:
 Daß ich zu den hohen Wegen
 Einsam mich im Schweigen fand.
 
 Worte sind des Lebens Boten,
 Worte sind der Lüge Spur;
 Doch den Himmel und die Toten
 Grüßt dein Herz im Schweigen nur.
 Knospenspringen und Verblühen,
 Wolkenflug und Sonnenschein
 Lehrt: nach all den lauten Mühen
 Wird das Ende Schweigen sein.
 
 
 Rudolf
Presber . 1868 - 1935
 
 
 
 
 
 
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