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Dreiklang
162 Bücher



Rudolf Presber
Dreiklang . 1. Auflage 1904



Zwei Bücher

Mir fällt ein dickes Buch in die Hand,
Das dickste in all meinen Schränken -
Ach, damals!... Ich war nicht recht bei Verstand
Und mag an die Zeiten voll Torheit und Tand
Nicht ohne Lächeln denken.

Ihr las ich's einst vor. Fünf Stunden gar
Bei grün verhangenem Lichtchen.
Sie hatte so herrlich rostrot Haar
Und war Baronin im zweiten Jahr
Mit einem Madonnengesichtchen.

Wir lasen und sprachen von Leben und Tod,
Von Schuld und Menschenverlangen.
Sie wurde blaß, und sie wurde rot;
Und Fragen, die tief ihr im Herzen geloht,
Die brachen aus Augen und Wangen.

Wir lasen, derweil der Hausherr schlief,
Und draußen der Herbststurm fegte,
Bis sie ihr Köpfchen dicht und tief
Just beim "Kategorischen Imperativ"
An meinen Smoking legte.

O schöne Zeit der Philosophie
Und all der gelehrten Sachen!
Ich denk' an all das Warum und Wie
Und, Frau Baronin, auch an Sie -
Und ich muß lachen, lachen!...

Ein zweites Bändchen greif' ich geschwind,
Sporfleckig und vergriffen -
Das war des Pfarrherrn blondes Kind;
Die Zöpfe flogen im Maienwind,
Derweil die Drosseln pfiffen.

Der Vater steht am Bienenhaus
Und prüft dort Flug und Waben.
Die Bienchen summen ein und aus;
Und auch am Tisch der Wiesenstrauß
Muß kleine Räuber laben.

Wir aber, tief aufs Buch gebückt,
Wir lesen und lesen wieder.
Wir sitzen still und nah gerückt,
Und aus dem kleinen Band entzückt
Steigen viel lachende Lieder.

Sie lachen und singen das Herz uns warm
Und jubeln was lang wir verschwiegen.
Ich bieg' um den jungen Leib meinen Arm;
Sie duldet's ohne Groll und Harm -
Die Bienen summen und fliegen.

"Der Vater sieht uns, Liebster, hab acht!"
Er kam mit bedächtigem Schreiten.
Wir aber haben so toll gelacht,
Als hätt' er den herrlichsten Witz gemacht -
Wie war uns so froh, uns beiden!

Und nehm' ich das Büchlein aus prunkenden Reihn,
- Wir lasen's nie zu Ende -
Dann zieht ein stiller Frühling ein
Mit Bienensummen und Sonnenschein
Im Duft deiner jungen Hände...

Das dicke Buch wird von den Erben geehrt,
Weil's alle kennen und nennen.
Ins Büchlein, das einst mir der Frühling beschert,
Schrieb heut' ich lächelnd: "Ohne Wert
Und nach meinem Tod zu verbrennen."


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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