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Rudolf Presber
Dreiklang
. 1. Auflage 1904
Spiegelbilder
So manches Spieglein schliff ich fein
Für Welt und Zeitgenossen,
Das ich im tiefsten Herzensschrein
Versiegelt und verschlossen.
Und das ich, wenn kein Späher nah,
Mich Neugier nicht entdeckte,
Mir heimlich lächelnd oft besah
Und wieder still versteckte.
Mein Spieglein zeigt, von Gunst umdrängt,
So manch moderne Größe,
Der ein Philisterzipfel hängt
Aus schmalem Schlitz der Schöße;
Zeigt Helden, die im Strahl des Glücks
Das Roß der Musen reiten,
Beherrscht von kleinen Zirkustricks
Und lust'gen Eitelkeiten;
Sieht manchen, der sich ganz geweiht
Der Menschheit höchsten Fragen,
In pfiffiger Selbstgefälligkeit
Die Märtyrkrone tragen;
Zeigt manchen, der so blitzesschnell
Begeistrung zündend tobte,
Wie er sich heimlich am Modell
Titanenzorn erprobte;
Zeigt, wie so mancher Menschheitszier
Ein Kranz das Haupt umspannte,
Derweil der Atem heißer Gier
Die dürren Lippen brannte;
Zeigt, wie ein Spieler Kränze wand
Und lächelnd tief sich neigte,
Derweil, am Klapperschritt erkannt,
Der Tod schon stand und geigte ...
Die Bilder, die solch Spieglein sog
In die kristallnen Flächen,
Die wird kein "warmer" Nekrolog,
Kein Grabstein uns versprechen.
Doch weil's die Welt gern anders las
In fernen Zukunftstagen,
Will ich mein heimlich Spiegelglas
Noch eh' ich sterb' zerschlagen.
Mir scheint, was dieses Lebens List
An manchem Bild bezirkte:
Nicht, was sein Kern gewesen ist,
Nur wie der Spieler "wirkte".
Der schönste und der tiefste Sinn
In all dem Maskentreiben
Schwimmt im Gedächtnis leicht dahin,
Und nur die Posen bleiben.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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