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Gedichte, Lyrik, Poesie

Dreiklang
162 Bücher



Rudolf Presber
Dreiklang . 1. Auflage 1904



Neid

Aus der Jugend tollen Tagen,
Lenzberauscht und weltentzückt,
Vieler Fehler Schuld getragen
Hab' ich, die mich schwer bedrückt.

Schlimmer, als die Welt gescholten,
Schufen sie mir heimlich Leid.
Einer hat mir nichts gegolten,
Einer blieb mir fern - der Neid.

Was ich lebte, hoffte, glaubte
Gab mir Stolz und Eigenwert,
Und ich ließ auf fremdem Haupte
Kranz und Krone unversehrt.

Und ich ruf' zu treuen Zeugen
Meine stillen Nächte an,
Daß ich mich in Ehrfurcht beugen
Jedem hohen Werke kann;

Daß ich mich vermag zu schicken
Frohen Sinns und ohne Pein
Zu den Gipfeln aufzublicken
Und vor Großen klein zu sein.

Nur wenn mir von blonden Buben,
Ros'gen Mädchen wird erzählt,
Und aus fremden Kinderstuben
Kichernd mich die Kunde quält;

Wenn aus dem verbotnen Lande
Grell mich trifft ein Strahl der Lust,
Schleicht mir heiß der nie gekannte
Neid durch kaum vernarbte Brust.

Und mir ist's, ich sehe prangen
Früchte meines Lebensbaums,
Und ich streichle heiße Wangen
Mit den Fingern meines Traums.

Und ich rühre blonde Locken,
Heb' die Kleinen auf mein Knie,
Und mit Lippen, heiß und trocken,
Leise, dankbar küss' ich sie.

Seh' in Äuglein treu und offen
Unberührter Herzen Licht,
Und in Angst und Stolz und Hoffen
Meine Seele fragt und spricht:

"Aus den Augen möcht' ich lesen,
Was das Herz an Keimen beut.
Tüchtiger, als ich gewesen,
Möcht' ich eure Tüchtigkeit,

"Daß ihr tapfrer möchtet streiten,
Seltener, als ich, besiegt,
Bessre Kinder bessrer Zeiten
Einst auf euren Knieen wiegt.

"Dankbar blicken dann die spätern
Enkel eure Bilder an;
Dankt doch jeder seinen Vätern
Was er ist und was er kann.

"Was in Liebe, Trotz und Hadern
Durch der Enkel Herzen rollt,
Hat schon in der Väter Adern
Dieser Welt Tribut gezollt.

"Was ich ehrlich will und wage
Wird zu eures Lebens Hort,
Und das Beste meiner Tage
Wirkt in euren Siegen fort.

"Hab' ich längst zurückgefunden
In des Friedens ew'ges Reich,
Glaubt: in allen Kampfesstunden
Bin ich mitten unter euch!"- -

Also träum' ich. Matter Schimmer
Fällt von treuer Lampe her.
Stille rings im Arbeitszimmer -
Meine Kniee bleiben leer.

Und es spielt ein fahles Glänzen,
Kalter Sternengruß der Nacht,
In den längst verwelkten Kränzen,
Die mir Sang und Sieg gebracht.

Fragend lass' ich müde Blicke
Über dürre Zweige gehn.
Eine Antwort vom Geschicke
Möcht' ich wohl: Für wen - für wen?


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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