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Rudolf Presber
Dreiklang
. 1. Auflage 1904
Judith
Der Hochmut lacht dir aus dem Aug', dem losen;
Vor allen Weibern lieb' ich dich wie keins!
Und doch ich weiß: es hat mit alten Hosen
Dein Vater einst gehandelt noch in Mainz.
Von deinem Halse tropfen echte Perlen;
Du bist die Königin bei Fest und Ball -
Und deine Mutter lieh besoff'nen Kerlen
Auf ihre Ankeruhr beim Karneval.
Du sahst mich an - ob ich das je vergesse!
"Nicht sagen, nicht verraten, wer ich war!"
Das Gelb der Haut, der Wangen bleiche Blässe
Und dies in Nacht gefärbte schwarze Haar ...
Nicht Herr des Worts, traumwandelnd wie im Schlafe,
Küßt' ich die Hand und sah dir ins Gesicht.
Und dieses Schweigen schwur: ich bin dein Sklave,
Du schönes Weib, und ich verrat' dich nicht!
Vom dunklen Lichte deines Augensternes
Bezaubert, schwur ich, daß zur blut'gen Tat
Ins üpp'ge Zelt des Heiden Holofernes
Nicht stolzer einst die edle Judith trat.
Und wenn ich so in fieberheißen Nächten
Mein tränennasses Haupt vergrab' im Pfühl,
Mir ist, als ob Jahrhunderte sich rächten
In diesen Mandelaugen stolz und kühl.
Als ob ich müßt' für meine Väter zahlen,
Die deinem Ahn' gespieen in den Bart,
Die ihres ungerechten Zornes Qualen
Für deine Sippe grausam aufgespart.
Müd' von des Unrechts tausendjähr'gen Lasten,
Befeuert stets vom eig'nen heißen Blut,
So sehn' ich mich in deinem Arm zu rasten,
So fürcht' ich mich vor deiner Locken Flut -
Als ob im Tiefsten deines Wesenskernes
Ein Feuer glimme jener Schreckensnacht,
In der einst den Assyrer Holofernes
Die Rachegöttin Judith umgebracht.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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