Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Dreiklang
162 Bücher



Rudolf Presber
Dreiklang . 1. Auflage 1904



Die Maske

Eine Maske liegt bei altem Tand,
Verblaßt, zerbeult, verschlissen, kläglich;
Wie ich sie einstens fand und band,
Es war so himmlisch und - alltäglich...
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Das also war der Karneval!
Ich war enttäuscht - ich mag nicht lügen.
Sie nannten es einen "Bürgerball" -
Es war ein jämmerliches Vergnügen.

Behäbige Bürger, festlich befrackt,
Die Ladenjünglinge voller Gnade.
Zigeuner geigten, selten im Takt;
Es roch nach Leihhaus und Pomade.

Die Teufelin aus dem Venusberg
Mit Messingspangen an Hals und Armen;
Drei "Gretchen" mit struppigen Zöpfen aus Werg
Und neckische Engel - zum Gotterbarmen!

Melodisch schnaufend walzten hin
Höchst umfangreiche Nixen und Nymphen;
Und Gärtnerin und Schäferin
In ausgewaschnen Vigognestrümpfen...

Ich denk': Philister über mir!
Und sinne, wie ich zum Ausgang steuer';
Da seh' ich ein Mädchen an der Tür;
Zwei Äuglein lachen mit listigem Feuer.

Goldrotes Haar unterm Dreispitz loht.
Der Fuß mit zierlichen Sprunggelenken -
Die Schulter schneeweiß aus des Atlas Rot -
Und fein die Taille - nicht zu denken!

Ein leichter Duft von Chypre steigt;
Die Seidenröckchen knistern leise.
Und der Zigeunerprimas geigt
Dreivierteltakt - die Donauweise.

Und eh' ich selbst mich recht besinn',
Mit meiner Ellenbogen Hilfe
Sind wir im dicksten Strudel drin -
Die Kleine tanzt wie eine Sylphe.

Sie liegt mir federleicht im Arm;
Ich spür' des Busens leises Regen,
Und aus dem Mieder steigt mir warm
Des jungen Körpers Duft entgegen.

Still die Musik. Der Primas steckt
Die Hände in die Hosentaschen.
"'s ist Pause, Kindchen. Kellner, Sekt!
Und gleich zwei gut frappierte Flaschen!"

Und wie in spitze Gläser rinnt
Der Wein und spielt mit goldnen Perlen,
Zupft mich am Ohr das liebe Kind:
"Du bist der Nettste von den Kerlen!"

Prost, Kleine! - Und sie beichtet mir:
Heut' wird sie achtzehn, heißt Ottilie.
Sie ist - sehr glaublich! - nicht von hier
Und aus "erstklassiger" Familie.

Ein Onkel ist Kapitän zur See,
Zwei Vettern - sie gesteht's mit Kichern -
Zwei Vettern stehn in der Armee;
Und deren Vater fiel bei Spichern.

Sie ist erzogen, was das betrifft,
Häuslich und streng und fast vestalisch,
Zwei Tanten im adligen Fräuleinstift
Leben schon aus Beruf moralisch.

Ihre Mutter hat ein Gut bei Wien;
Freilich, es sind jetzt böse Zeiten - - -
Da erlaub' ich mir die Uhr zu ziehn:
Darf ich dich jetzt nach Haus begleiten?

"Nach Haus? Nach Wien?" - Ach nein, nicht ganz.
Das ist zu weit zu meinem Kummer. -
Und sie: "Ach ja, is fad der Tanz,
Da hast du die Garderobenummer."
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Eine Maske liegt bei altem Tand,
Verblaßt, zerbeult, verschlissen, kläglich,
Wie ich sie einstens fand und band,
Es war so himmlisch und - alltäglich.

Drei Treppen hoch im Hinterhaus,
Wo arme, kleine Mädels wohnen,
Da fällt die Maske, da ist's aus
Mit Vornehmtun und Konnexionen.

Doch so weich ihr Mund und so rot ihr Haar,
Ihr schlanker Wuchs so ohne Tadel!
Und ihre junge Schönheit war
Vom allerältesten Evaadel.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






Gedicht: Die Maske

Expressionisten
Dichter abc


Presber
Media in vita
Dreiklang
Spuren im Sande
Aus Traum und Tanz
Und all' die Kränze ...
Aus zwei Seelen

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Die Maske, Rudolf Presber