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Rudolf Presber
Dreiklang
. 1. Auflage 1904
Das kalte Zimmer
Bist du erst siebzehn Jahre,
Bist du schon dreißig alt?
Ich weiß nicht, ob ich's erfahre - -
Im Zimmer ist's furchtbar kalt.
Die Psyche von Paul Thumann
Lächelnd über der Tür
Und zärtliche Lieder von Schumann
Wartend auf dem Klavier -
Über dem ungeschlossnen
Spinde der Kaiser von Gips,
Wir beide auf altem verschossnen
Sofa von ritzrotem Rips.
Auf dem Tisch noch Brot und Krumen -
Vom hastigen Frühstück, wer weiß;
Am Fenster Ranken und Blumen,
Weiße Blumen von Eis.
Du hast den Tee bereitet -
Die Täßchen klirren so nett.
Dein kleines Händchen gleitet
Ordnend über das Brett.
Wir plaudern und trinken und rauchen -
O Rätsel der Dämmerstund'!
Du hast so wissende Augen
Und einen so jungen Mund.
Ich rede von tausend Sachen,
Fidel und lästerlich;
Es lauert in all dem Lachen
Mein leises: "Liebst du mich?" ...
Du sitzst so nah'. Ich spüre
Den Duft deiner weichen Gestalt.
Ich glühe und - ich friere ...
Im Zimmer ist's furchtbar kalt!
Wie sehr ich heimlich schelte,
Ich kann nicht fort von hier;
Ich sehe selbst in der Kälte
Eine kleine Nuance von dir.
Draußen auf Dächern und Schiefern
Funkelt der Mond auf dem Schnee;
Ich klappere mit den Kiefern
Und trinke krampfhaft Tee -
Ich friere an Fingern und Ohren,
Du sprichst: "Meine Wirtin geizt" ...
Wir wären ja beide verloren,
Hätte sie heute geheizt!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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