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Rudolf Presber 
 
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914 
 
 
 
Zu Neckarsteinach, im Schwalbennest... 
Was bin ich ein froher Bursch gewest, 
Das junge Herz voll Sonn'. 
Zu Neckarsteinach, im Schwalbennest, 
Da weiß man noch davon. 
Der Neckar zog sein grünes Band 
Um saubre Städtchen her - 
Und rings das liebe Badner Land 
Ein helles Blütenmeer. 
Die Pfade grün, den Wald entlang 
Ging leicht der Wandertritt; 
Und über Wipfeln Burschensang, 
Und ich, und ich sang mit. 
 
Der Arbeit folgte frohes Fest, 
Der Wein floß wie ein Bronn'. 
Zu Neckarsteinach, im Schwalbennest, 
Da weiß man noch davon. 
Ein Zimmerchen zur rechten Hand, 
Trepp auf im zweiten Stock, 
Da hing die Mütze an der Wand 
Beim derben Knotenstock. 
Dort zu platon'schem Dialog 
Hat sich der Freund gesellt, 
Und aus den langen Pfeifen zog 
Die Wolke in die Welt. 
 
Ein dunkles Mädel war dabei, 
So schlicht und unverwöhnt, 
Die war so frisch als wie der Mai, 
Der rings die Gärten schönt. 
Die stickte still, derweil ich schrieb, 
Der Lenzwind strich herein - 
Und abends hatte sie mich lieb 
Und nippt' an meinem Wein. 
Hell war die Nacht. In Ost und West 
Stand uns die Welt zu Kauf - 
Zu Neckarsteinach, im Schwalbennest, 
Stieß ich die Läden auf. 
 
O ferne Zeit, verblühter Mai, 
Wer weiß heut noch davon! 
Am Städtchen fuhr ich jüngst vorbei 
Im D-Zug nach Heilbronn. 
Längst läuft mein Weg hübsch kerzengrad' 
Und nicht mehr kreuz und quer - 
Und bald heiß ich "Geheimer Rat", 
Und blühen tut nichts mehr. 
Wer feiert jetzt noch dort sein Fest? 
Das Städtchen lag in Ruh. 
Zu Neckarsteinach, im Schwalbennest, 
Schloß wer die Läden zu ...
 
 
 
 
Rudolf
Presber . 1868 - 1935 
 
 
  
 
 
 
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