Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus zwei Seelen
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus zwei Seelen . 1. Auflage 1914



Titanic

Der Kampf ist aus ... Die Wasser wogen leis.
Ein Gurgeln noch, ein Schimmerspiel von Blasen -
Und majestätisch zieht ein Berg von Eis,
Der Sieger blieb, lautlos auf schwanken Straßen.
Die Wellen gleiten wie ein Schleppgewand
In grünen Falten um den blanken Riesen -
Winkt dort nicht eine blasse Menschenhand,
Von deren Fingern blut'ge Tropfen fließen?

Mit weißen Kronen spielend strahlt das Meer -
War's nicht, als ob's mit Kinderstimmen riefe?
Das sang der Wind! Die Toten gibt nicht her,
Die sie hinabschlang, die kristallne Tiefe.
Ein Ruck, ein Krach - der Sturm von Norden pfiff
Und trug die Kälte von des Eismeers Boten -
Da neigte sich der Menschheit schönstes Schiff
Und sank, ein Sarg für seine tausend Toten.

Gebet und Fluch und still gewürgtes Weh -
Und überblitzend all den Abschiedsjammer
Flog zu den Schwesterschiffen über See
Der Schrei: "Wir sinken!" aus der Funkenkammer.
Und weit getrennt auf schwanker Wasserbahn,
Aufschauend zu des Himmels Dom im Schweigen,
Bekreuzten sich auf weitem Ozean
Die Schiffer all': Gott mög' sich gnädig zeigen!

Gott schloß sein Ohr. In seinem Angesicht
Versank, was feinster Menschenfleiß ersonnen.
Es lachte mitleidlos der Sterne Licht
Auf Prunk und Schönheit, die ins Nichts zerronnen.
Dem irren Blick verwehrt der Rettung Port -
Den flieh'nden Booten noch ein stummes Winken -
Und durch die Luft blitzt letztes Funkenwort
Ins Leben weit: "Wir sinken - und ertrinken!"

Zur Tiefe alles! Reichtum, Schönheit, Ruhm!
Und wo es sank, kein Kreuz und keine Blüte.
Tiefstiller Glaube, lachend Heidentum
Erstickt, gewürgt in Kammer und Kajüte.
Verlöscht, was tausendfach das Leben gab
An Zuversicht und Traum, an Leid und Wonne;
Und Wellenberge überm Riesengrab
Und Gottes ewig leuchtend Aug', die Sonne ...

Sieh, kleine Schiffe fuhren hin und her,
Wo sich vom Grund geborstne Masten recken,
Als möchte in Barmherzigkeit das Meer
Die blassen Träumer in der Tiefe wecken.
Seltsamer Gruß, von dem was unten schlief,
Fand auf den Wellen treibend die Schaluppe:
Zerfetzt ein Scheckbuch, einen Liebesbrief,
Ein blutig Tuch und eines Kindes Puppe ...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






Gedicht: Titanic

Expressionisten
Dichter abc


Presber
Media in vita
Dreiklang
Spuren im Sande
Aus Traum und Tanz
Und all' die Kränze ...
Aus zwei Seelen

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Titanic, Rudolf Presber