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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Krieg im Osten
Nach tiefem Schweigen - ein entmenschtes Kreischen,
Nach langem Frieden - rote Fackelglut;
Und wilde Horden stehn, im Auge Wut,
Und sinnen tückisch, wie sie sich zerfleischen.
Statt Hirtenruf - Drommeten von den Almen;
Und wo die Ziegen grasten jüngst am Rain,
Saust von den Felsenkuppeln Stein um Stein,
Daß sie im Tale tief den Feind zermalmen.
Aus Wort und Sang tobt Hassen und Verachten,
"Hier Kreuz!" ... "Hier Halbmond!" ... und die wilde Schar,
Die eben noch ein Häuflein Schäfer war,
Wetzt ihre Wehr zu unbarmherz'gem Schlachten.
Zum Sturm gepeitscht der Glocken sanft Geläute,
Der Himmel weit vom Brande überloht -
Und in der Berge Pässe sitzt der Tod
Und wartet grinsend auf die reiche Beute ...
Ihr ballt die Faust. Ihr scheltet solch Erdreisten.
Doch schaut die Greise, schwankend und gebückt,
Seht schlanke Knaben, fiebernd und verzückt,
Den Eid auf die zerschlißnen Fahnen leisten!
Schaut, wie der Bauer seine letzten Pferde,
Ihr goldnes Kreuz das kleine Mädel bringt;
Und wie die Mutter ihren Sohn umschlingt:
"Zieh aus! Und fällst du, sei dir leicht die Erde!"
Mit holder Menschenliebe sanften Sängen
Habt ihr so lang die Seelen zugedeckt;
Nun zwingt ein anderes Lied euch zum Respekt
Der Jubelnden, die zu den Grenzen drängen.
Uralter Haß will neu sein Spiel beginnen,
Die Proben fordernd rüst'gen Mannesmuts -
Und schaudernd seht ihr rote Bäche Bluts
Talwärts von den zerschoßnen Felsen rinnen.
Nun wird der Mond auf tausend Tote scheinen,
Die ihrem Lande, als der Morgen graut',
Aus ihren Leibern einen Wall gebaut;
Und Mütter werden stolze Tränen weinen.
Denkt eurer Mütter, die euch hoffend wiegten -
Und ist vertobt der mörderische Tanz,
So laßt den Siegern ihren blut'gen Kranz;
Doch euer Mitleid ehre die Besiegten!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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