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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Du heut verehrte, einst geliebte Frau!
Du heut verehrte, einst geliebte Frau,
Verzeih, ich bin in Ehrlichkeit der Alte.
Erlaub' mir's, daß von meiner Zeitungsschau
Ich dich ein arm' Minütchen unterhalte.
Du weißt's gewiß - bei deinem Wissensdurst! -
Wer Peter war, der große Zar der Russen,
Denk' dir's, in seine Briefe schlägt man - Wurst
Und dreht sein Manuskript zu Fidibussen.
Mit Fett besudelt schon und halb verkohlt,
Umweht vom Dunste übelster Gerüche,
Hat ein Professor mühsam sie geholt
Aus dreck'gem Aschenkasten seiner Küche...
Wenn das schon Fürstenbriefen so geschieht
Und toten Worten, die wie Knuten schlugen,
Die jählings ehemals aus dem Zenit
Des Glückes nach Sibirien verschlugen;
Die schenken konnten, wie der Herrgott schenkt,
Die trennen konnten Freunde, Kinder, Gatten,
Und die mit leichtem Federstrich versenkt
Den Todfeind in die Nacht der Kasematten;
Die adeln konnten den gemeinen Mann,
Im Blut ersticken des Verbrechers Flehen -
Was soll mit eines Sängers Briefen dann
Empörendes in hundert Jahr'n geschehen!
Ich kenn' ein Kästchen - du bewahrst's im Schrein -
Schlicht Buchsbaum, aus der Zeit der Biedermeier;
Du holst's zuweilen dir zu stiller Feier
Und steckst den kleinen Schlüssel lächelnd ein.
Du liest auf Blättern, was ein junges Blut
In Sternennächten fiebernd hingeschrieben
Von ungestillter Sehnsucht, "ew'gem" Lieben,
Und wie so bitter weh die Trennung tut.
Kein neues Wort. Der alte Fluch und Segen,
Mit dem der Lenz in jungen Herzen spielt;
Und manchmal doch ein leises Flügelregen
In einem Verslein, das zur Höhe zielt ...
Geliebte Frau, auch dir schließt einst die Augen
Ein güt'ger Freund. Die Glocke klagt vom Turm
Wem soll das Feuer dann der Zettel taugen,
Die einmal Lenz gewesen, Licht und Sturm?
Die einmal Betteln hießen und Vergeuden;
Die jetzt in Stolz, in Demut jetzt geglüht,
Die alles trugen, was von höchsten Freuden
Und tiefstem Leid in jungen Herzen blüht.
Soll lässig das der Erben Hand zerstückeln?
Soll's aus dem Kehricht in die Gosse wehn?
Soll eine Dirne draus sich Locken wickeln,
Ein Krämer pfeifend draus sich Tüten drehn? ...
Daß dir Herrn Peters großes Beispiel diene!
Noch ist des Kästchens toter Inhalt dein -
Geh hin in stiller Stunde zum Kamine
Und wirf die Briefe, Blatt um Blatt, hinein!
Schick' sie ins Nichts auf reiner Flammen Schwingen!
Und wenn ihr letzter kleiner Rest zerstiebt,
Dein alternd Herz wird dir die Weisen singen
In sanften Tönen, die das Echo liebt.
Verbrenne lächelnd deines Dichters Grüße,
Den bunten Traum, der leicht im Lenz zerrann -
Eh' auf dem Markt ein Metzger Kälberfüße
In deines Frühlings Sonntag wickeln kann!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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