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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Die unberühmte Madonna
In einem Kirchlein Perugias hing
Die lieblichste aller Madonnen;
Vor dem Rahmen, schmal und gering,
Knieten nur Greise und Nonnen.
Die Fremdenführer kannten sie nicht,
Nicht ihr Aug', nicht den Glanz ihres Haares;
Sie barg am Pfeiler ihr süßes Gesicht
Im Schatten des Seitenaltares.
Und durchbrauste die Orgel den Gottessaal,
Und wehten die Fahnen im Glanze,
Nur wenige Lichtlein, dünn und schmal,
Schwelten vor ihr im Kranze.
Nur alte Weiblein schlugen das Kreuz,
Und ihr Herz, ihr lebenswundes,
Wußte nichts von dem Gnadenreiz
Dieses blühenden Mundes.
Da kam aus Deutschland ein junger Gesell
Und staunte und sprach mit Beben:
"Bei Gott, nur Meister Raffael
Konnt' solche Madonna erleben!"
Er rief die zünft'gen Gelehrten herbei,
Die keuchten eilends zur Stelle;
Da kam viel Licht und viel Geschrei
In Perugias kleine Kapelle.
Da weihten sie singend das Bild im Dom,
Die Seelen der Gläub'gen zu stärken;
Und hingen es, herrlich gerahmt, zu Rom
Zu Raffael Sanzios Werken ...
... So hab' ich ein süßes Bild geschaut
Im Lenz unter lachenden Blüten -
Die hohe Kunst seines Meisters laut
Zu preisen, werd' ich mich hüten!
Und es lebt das Bild! Und mir allein
Weiht es die Frühlingsgelände;
Und seiner Lippen Gnaden sind mein
Und der liebliche Trost seiner Hände.
Und meine Lieder bauen den Dom
Seinen Augen, den lächelnden braunen -
Und nimmer, nimmer schick' ich's nach Rom,
Damit es die Snobs bestaunen!...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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