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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Die Hände
Maria, gnadenreiche Frau,
Gekrönt vom Sternengeflechte,
Von deinem himmlischen Throne schau
Den ärmsten deiner Knechte!
Ich hieß ein Ritter, ich hieß ein Graf -
Die irdische Lust zu büßen,
Liegt Ahn' bei Ahn' im Todesschlaf
Hier unter meinen Füßen.
Sie haben dir diese Kapelle gebaut,
Daß hoch sie mein Schloß überrage;
Die liebliche Schwester ward Himmelsbraut
Und betet die jungen Tage.
Und ein zur Wonne geschaffenes Weib,
Das flüstert zärtliche Töne:
"Leg ab, Geliebter, dein Schwert und bleib
Und pflücke die Frucht meiner Schöne!
Und küsse die kühlen Lippen mir warm
Und laß meine Wangen glühen;
Und nimm meine Jugend in den Arm -
Sie will nicht elend verblühen!"
Ich aber gürtet' mein Stahlgewand
Und ritt statt auf die Freite
Mit Herren Gottfried ins Heilige Land,
Daß ich das Grab erstreite.
Ich habe zu Joppe die Fahne gehißt
Mit dem Kreuz, dem Kreuz in der Mitten;
Von meines Rosses Widerrist
Ist Blut und Schweiß geglitten.
Ich habe gezüchtigt den Heidenhohn -
Daheim verfaulten die Garben.
Aus Kämpfen für deinen heiligen Sohn
Trag' ich den Leib voll Narben.
Und als ich jetzt kehrte nach Jahr und Tag,
Zerfetzt von manchem Hiebe -
Umschwelt von Kerzen im Schreine lag
Die Einzige, die ich liebe.
Erloschen das Feuer des blauen Blicks
Und weiß wie Kerkerwände
Das rosige Antlitz; ums Kruzifix
Liegen die süßen Hände.
Ich hab' dieser heiligen Hände gedacht
Wider den Trieb zum Bösen;
Sie sollten nach Sieg und Heidenschlacht
Mir Riemen und Spangen lösen.
Ich wollt' in Dank und Liebeslust
Die teuren Hände belehnen
Und trug im Säcklein geheim auf der Brust
Saphire der Sarazenen.
O Himmelsmutter, du Retterin, mußt
Mir dein gnädig Gesicht nicht verstecken;
Ich weiß, du darfst mir zu irdischer Lust
Die tote Liebste nicht wecken.
So mag im Grab ihres Leibes Zier
In schwarzer Erde verwesen;
Doch ihre Hände, die lasse mir,
Die all mein Trost gewesen!
Laß in des Einsamen Lebenspein,
Müd' von Turnier und Siegen,
Die holden Hände um mich sein
Und auf der Stirn mir liegen!
Bedecke mit Schollen ihr süßes Gesicht,
Ihr Goldhaar in Grabesgründen -
Die Hände, die Hände nimm mir nicht,
Die oft ich geküßt in Sünden! ...
Und als der Ritter so weint' und litt,
Ein Strahl der Frühlingssonne
Wohl durch die gemalten Scheiben glitt
Um das Haupt der Madonne.
Es war, als zündet' das Himmelslicht
In den Augen des Bildes ein Leuchten.
Sie neigte gewährend ihr Angesicht
Über den Gramgebeugten.
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Gar seltsam' Mär durch die Lande floß,
Wo feilschte das Volk und zechte:
Herr Walter lebt einsam auf seinem Schloß,
Ganz ohne Mägde und Knechte.
Kein Knappe hält ihm den Bügel zum Ritt,
Kein Knecht bedient ihn im Saale,
Und keine Magd, nach der Väter Sitt',
Gießt ihm den Wein in die Schale.
Zwei Hände so bleich, zwei Hände so weiß,
Zwei schlanke Frauenhände
Umsorgen den Ritter gütig und leis
Bis an des Tages Ende.
Sie gürten die Waffen, sie schenken den Wein,
Sie reichen den Wanderstecken,
Sie nehmen das Linnen aus Truhe und Schrein,
Sie glätten des Lagers Decken.
Und eh' seine Lippe den Wunsch noch spricht,
Zwei Hände, so weich wie Daunen,
Zwei Hände, gewebt aus Duft und Licht,
Erfüllen all seine Launen.
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Da war's ein Lenztag, da es geschah,
So bunt erglänzte die Halde,
Ein Lenztag, und Herr Walter sah
Jung Irmgard unten am Walde.
Da er ihren roten Mund geküßt
Unter den segnenden Zweigen,
Da er sie fragt, ob sie Lieberes wüßt',
Als ganz zu werden sein Eigen.
Und da er trat, vom Traume schwer,
Ins Schloß mit seligen Mienen,
Da flossen die weichen Finger nicht mehr,
Aus Wolken ihm zu dienen.
Da rückt keine Hand ihm den Sessel zurecht
Und reicht ihm den Wein im Pokale,
Da stand er, arm, ohne Knappe und Knecht,
Sein eigener Diener, im Saale.
Er schalt sich weinend Verräter und Schuft
Und betete zu Marien -
Keine Hände, gewebt aus Licht und Duft,
Haben ihm Trost geliehen.
Doch als er taumelnd um Mitternacht
Nach bangem Fasten und Beten
Die Treppen stieg und die Fackeln entfacht,
Ins Schlafgemach zu treten,
Da lagen auf Decken der Lagerstatt,
Im lohenden Scheine der Brände,
Fleischlos, wie Knochen weiß und glatt,
Zwei abgehauene Hände.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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