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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Das Wunderschiff
In meinen gläubigen Kinderjahren,
Wenn draußen, hui, der Herbststurm pfiff,
Wie hab' ich oft das Meer befahren
Im Traum auf einem Wunderschiff;
Das steuert sicher durch die Klippen
Und fuhr nach einem fernen Ziel -
Von Silber waren seine Rippen
Und von Kristallglas war sein Kiel.
Oh, daß ich einmal noch mir riefe
Die Zeit herauf, da so geschah!
Ich sah die Wunder all der Tiefe
So klar, wie ich den Himmel sah;
Ich sah das Farbenspiel der Quallen,
Die Nixenburgen, leicht gebaut,
Und war mit Muscheln und Korallen
Wie mit der Vogelwelt vertraut ...
Da kam ein Tag mit düstern Stunden,
Der Kunde brachte vom Orkan.
Ich hört': ein Freund sei uns verschwunden,
Ertrunken fern im Ozean.
Und als ich fröstelnd kaum gestiegen
Ins Bettchen und die Decke griff,
Sah ich im Traum - den Toten liegen
Tief unter meinem Geisterschiff.
Als wollten sie das Blut mir saugen
Aus meiner Adern heißem Spiel,
So suchten seine starren Augen
Mein Aug' durch den kristallnen Kiel;
Als ob mich seine Lippen riefen,
So zog's mich von der Geisterjacht
Hinab zu seinen blauen Tiefen
In jener schaudervollen Nacht ...
Seit jener Zeit ist mir entglitten
Das Fahrzeug seltsamsten Betrugs;
Ich habe nimmermehr beschritten
Die Silberplatten seines Bugs.
Wohl über Meere durft' ich gleiten
Als traumbefreiter Passagier;
Doch weckten Sehnsucht mir die Weiten -
Die Tiefe sprach nicht mehr zu mir.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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