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Rudolf Presber
Aus
Traum und Tanz . 1. Auflage 1908
Vorbildliches
Ich hör' ein Wort aus Friedrichshafen,
Kurz, scharf als wie ein Lanzenstich.
Ich hör' die Rede eines Grafen,
Höchst kühl und kühn und ritterlich:
"Adieu, es war mir ein Vergnügen;
Doch fürder scheint mir Schweigen Pflicht.
Ich habe bloß noch Zeit zum Fliegen -
Und alles andre schert mich nicht.
Den Kleinen, die im Tale ducken,
Sich von der Scholle nie befrein,
Aus Höhen auf den Kopf zu spucken,
Muß Lebensziel der Zukunft sein.
"Ich kann den Umgang leicht entbehren,
Auch die Soupers und sonst'gen Fraß.
Ich mag mit keinem Mann verkehren,
Der nie auf einer Wolke saß,
Der nie zu Häupten all den Schreiern
Im Fluge durch die Sterne strich.
Und will der Kerl Geburtstag feiern,
Tu er's gefälligst ohne mich;
Und schenkt sein Weib ihm einen Knaben,
Und wird sein Vetter Kardinal,
Und wird sein Onkel ihm begraben -
Das ist mir alles ganz egal.
"Und, bitte, ihr da in der Tiefe,
Verfolgt mich nicht mit Wissensdurst.
Ich öffne nämlich keine Briefe,
Weil mir der Inhalt äußerst wurst.
Und streckt nicht bettelnd eure Hand aus
Nach einem Albumblatt von mir;
Ich werfe bloß zuweilen Sand aus -
Genügt euch das als Souvenir?
Umsonst wird mir aus allen Häusern
Die Zukunftsfrage zugeschrien -
Ich will mich überhaupt nicht äußern,
Ich will bloß fliegen. - Zeppelin."
... Verehrter Graf, wie ich dir neide
Den Weg, den deine Kunst durchmißt!
Man spinnt, ich schwör' dir's, keine Seide,
Wenn man so grob auf Erden ist.
Will einer all den dummen Fragen
Der lieben Nachbarn prompt entgehn,
So muß ihn halt ein Drache tragen,
So muß er frei in Lüften stehn.
Und dann, wahrhaftig, ist mitunter
Am End' noch Trauriges passiert:
Kommt dieser Edle erst herunter,
Dann wird er nämlich - boykottiert.
O, lieber Graf und Herr der Winde,
Wirf mir den Rat als Tröster zu:
Wie mach' ich's bloß, daß ich erfinde
Ein kleines Luftschiff, so wie du?
Wie mach' ich's, daß ich aus den Netzen
Der öden Konvention entflieh'
Den Festen, die mich nicht ergötzen,
Den Opern ohne Melodie?
Daß ich, die auf der Lebensreise
Die Zeit mir stehlen ohne Sinn,
Als Antwort bloß - mit Sand beschmeiße
Und allemal unfaßbar bin?
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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