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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus Traum und Tanz
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus Traum und Tanz . 1. Auflage 1908



Ein Gruß

War ein Basar. Weiß nicht, zu welchem Zwecke.
Für Leprakranke, oder um die Pest
In irgendwelcher hinterind'schen Ecke
Zu bannen durch ein teures Zauberfest.
Vielleicht auch, um im fernen Kamerun
Den Negern oder sonstwem wohlzutun
Durch Bilderbücher, Kognak und Kattun -
Gleichviel für was, für wen, wozu es war,
Es kostet' Geld und hieß halt: ein "Basar".

"Lebende Bilder" wurden auch gestellt,
Echt im Kostüm - sagt' ich's, es kostet Geld?
Und junge Mädchen, frisch und herzensfroh,
Den Strumpf durchbrochen und die Arme bloß
Und aus Familien gut und tadellos,
Kurzröckig und gepudert - Rokoko -
Standen, des Winks gewärtig und beflissen,
Schon wartend zwischen wackelnden Kulissen.
Die letzte Probe gilt's. Zwei Schwesterchen
Bekleben noch mit Schönheitspflästerchen
Gesicht und Schulter sich. Auf einen Stumpf
Von Pappe ihren Stöckelschuh gesetzt,
Der ihr das kleine Füßchen zwickt und petzt,
Zieht sich die dritte Falten aus dem Strumpf.
Ein Geiger, sonst ein braver Malersmann,
Setzt zum Versuch die stumme Geige an,
Rückt Kragen und Perücke und probiert
Wie's in den Atlashöschen sich marschiert.
Und Kichern rings und Frohsinn. Still und stumm
Sitz' ich im Saal, allein, als - Publikum.
Weil ich den Text zu solchem Bild verschuldet
Und zu dem Mumenschanz den Reim gedreht,
Werd' ich beim Proben hier im Saal geduldet
Und darf mit zusehn, wie der Traum entsteht.
"Zum vierten Bild!" ... was ist das? - Lichter aus
Ein kurzer Schrei, dann Lachen und Applaus.
Beleuchtungsfehler - Kurzschluß - Was weiß ich!
Die kleinen Dämchen finden's lächerlich.
Beim trüben Scheine eines Kerzenlichts
Steigt das behutsam, glühenden Gesichts,
In Atlasschuhen, Knöchel schlank und schmal,
Vier Stufen, fünf, hinunter in den Saal ...

Die leeren Stühle schlittern um die Wette,
Zur Seit' gestoßen, hin auf dem Parkette,
Und die vermummte Schar tollt auf mich zu.
"Was spielen wir, Herr Doktor? Blindekuh?" -
"Dunkel genug ist's." - "Oder tanzen wir?" -
"Ein Walzer, was?" - "Wir haben kein Klavier!"
"Wie lange dauert's, Kinder, mit dem Licht?" -
"Ach, laßt ihn doch, das weiß der Doktor nicht."
"Er soll 'nen Schwank, ein Märlein uns erzählen,
Bis dort der Lichterschaden repariert."

"Er will nicht?" - "Was?" - "Weh ihm, wenn er sich ziert!"
Die Lippen bitten und die Augen quälen -
Und plötzlich, eh' ich's selbst zu deuten weiß,
Sitz ich als Mittelpunkt in einem Kreis
Von weißgepuderten und hochfrisierten
Geschmückten Mädchen, die mich in gezierten
Präziösen Phrasen bitten - ganz im Stil -
Um Schwank, um Traumstück oder Saitenspiel.

Ich räuspere mich und will den Spaß beginnen -
Da stockt das Wort. Ich kann mich nicht besinnen ...
Mir ist's, als hätt' ich, - ging auch unterdessen
Zur ew'gen Ruh Geschlecht schon um Geschlecht, -
Schon einmal so, grad' so wie jetzt, gesessen -
Von Mädchenknospen um mich ein Geflecht;
Ringsum ein Knistern zartgeblümter Seide,
Zur Rechten mir ein schüchtern junges Ding,
Am weißen Hälschen funkelt das Geschmeide,
Am zarten Finger der Marquisenring.
Und dort die Schwestern mit dem roten Band
Am Ausschnitt und den Steinen in den Haaren
Und mit dem Augenglanz, dem wunderbaren,
Von zartem Blau, die saßen Hand in Hand,
So vorgeneigt, wie jetzt, und lauschten mir.
Die eine merkt und weiß, daß hinter ihr
Der Geiger steht. Ihr rotes Zünglein leckt
Die Lippen, und die ältre Schwester neckt
Ein flücht'ger Blick. Die aber lauscht und gibt
Nicht acht auf andre. Lauscht nur mir und lauscht
Und streicht die Röckchen, daß die Seide rauscht.
Jetzt weiß ich's auch: ich hab' das Kind geliebt
Vor hundert, hundert Jahren ... irgendwo.
Saß so wie heut - zur Zeit des Rokoko,
Saß in demselben Kreis, im schwachen Licht,
Gequält zur Kurzweil und Erzählerpflicht,
Und fing derselben blauen Augen Blick
Und hielt ihn bebend aus zum ersten Male -
Und jene Stunde trug in reiner Schale
Für ein Geschlecht mir Gleicher das Geschick ...

Da sprang ich auf, zitternd und glutdurchbebt.
Und während just das Licht im Bühnenrahmen
Aufflammt, sag' ich: "Verzeihung, meine Damen,
Ich kann nicht mehr ... Ich hab' mich selbst erlebt!"
Und wie es um die Rampe blitzt und zückt
Und scheu die Mädchen Platz dem Flüchtling machen,
Hör' ich noch eine helle Stimme lachen:
"Sagt' ich's dir nicht, der Doktor ist verrückt ..."


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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