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Gedichte, Lyrik, Poesie

Gesang von Morgen bis Mittag
162 Bücher



Alfons Petzold
Gesang von Morgen bis Mittag . 1. Auflage 1922



Aus: Das neue Fest

Es haben die Englein Gottes zu meiner Frau gesagt:
"Siehe, wie auf der Erde dein Liebster weint und klagt,
wie er die Nächte durchirrt und nach dir schreit
und du sitzt da in Gloria und ewiger Herrlichkeit."

Da nahm die Geliebte ein Stückchen ihres Gewands,
eine leuchtende Blume aus ihrem Heiligenkranz,
legte ihr silbernes Lächeln, ihr klingendes Herz hinein
und band das Ganze an einen himmlischen Stein.

Lag auf der Erde ein Mädchen in tieftiefem Schlaf,
als sie ein Glänzendes zwischen die Brüste traf.
Furchtsam erhob sich das Mädchen - - - es stand
vor ihr meine heilige Frau im Strahlengewand

und sprach: "Geh, liebe Schwester, zu meinem Geliebten hin,
sag ihm, daß ich so selig wie Jungfrau Maria bin.
Ich geb dir einen Strahl meines himmlischen Lichts,
ich geb dir mein Herz und das Lächeln meines Gesichts.

Nimm seine Hand und lasse sie nicht mehr aus,
mach wieder fröhlich, o Schwester, sein dunkles Haus.
Schwester, leb wohl! Ich segne dein Tun und danke dir." -
Das Mädchen betete lange und kam zu mir.




Die unruhvollen Rosen sind ermattet,
schwer hängen sie und träge an den Stielen.
Ein schmales Stück des Weges ist beschattet,
ein dunkles Teil, gefügt in helle Dielen.

Ein ferner Lärm versinkt in heitre Stille,
steht später in dem Singsang einer Grille
wieder auf, der grüne Rasen lauscht.
Der rote Tonzwerg auf dem Nelkenhügel
schaut in den Himmel, wo der Feuerflügel
der Sonne einsam gegen Westen rauscht.

Die schlanken Gräser stehen unbeweglich,
auf einmal zittern sie beglückt unsäglich,
sie hören, Liebste, deinen Schritt.
Und wenn auch meine müden Pulse stocken,
ich bin ganz Jubel und Frohlocken,
es tönt der Sommer und ich töne mit.




Du schläfst, Geliebte. Goldene Blätter fallen
aus der Sonne des Mittags in deinen ruhenden Schoß;
alle Bäume sind wie Gebilde aus roten Korallen,
brennen feuerfarbig und groß.

Das hohe, neugierige Gras
macht schnellere Schritte,
aus seiner Mitte
schwebt ein Ton, wie von gesponnenem Glas.

Und schweigsam ist das Haus
von dichtestem Weinlaub umsponnen.
Selbst das Wasser des Brunnens hat sich deiner besonnen
und silbert nicht laut aus der Röhre heraus.

Du schläfst, Geliebte. Schaukelnde Falter schweben
zu deiner Lippen halbgeöffnetem Tor
und heben
deinen duftenden Atem zu mir empor.




Was wäre dieser Frühling ohne dich?
Es würde sein, daß auch die Blumen blühen
und alle Bäume ihren Duft verschwenden,
doch für die andern nur und nicht für mich.

Es stände einer mitten in der Pracht,
wie eingeschneit vom Schnee der Einsamkeiten,
und würde schauern und es nicht begreifen,
wie alles um ihn her voll Liebe glüht und lacht.

Es ginge einer jenem Bettler gleich,
der vor sich hinsprach: "Erde, liebe Erde,
o öffne dich für mich und meine Qualen!" -
Es ginge einer durch die Straßen bleich

und wüßte nicht, wohin, wohin mit sich,
um nur nicht dieses Blühen anzusehen
und diesen Duft des Werdens einzusaugen -
was wäre dieser Frühling ohne dich!




Hie und da träuft
Mondlicht durch die Bäume wie Schnee.
Der Schatten meines Hundes läuft
mir voraus durch die Allee.

Ein Grille klagt,
in einer Steige flattert ein Huhn,
irgendwo singt eine Magd
über ihr einsames Tun.

O, wie bin ich hier
in Nacht und Stille allein,
Wehmut und Sehnsucht nach dir
mauern mich ein.




Wenn du heimgehst zu Gott, will auch ich heimgehn,
will demütig vor der himmlischen Pforte stehn.

Will schüchtern anklopfen mit dem Herz in der Hand,
um Einlaß bitten in das selige Land:

Ich weiß ja, ich bin voll Sünde und sie so rein,
aber ich kann nicht ohne die süße Geliebte sein.

Lieber Torwart, sprich ein Wort für mich bei dem Herrn,
Ich will nur sein der letzte Engel und Stern,

sein Schemel, auf den er die göttlichen Füße stellt,
ein Staubkorn, daß seine Gnade im Himmel hält.

Er schenk mir das leiseste Lächeln aus seinem Gesicht,
damit ich sie seh alle Tage im ewigen Licht.




Sieh, alles Licht im Umkreis ist getötet,
weil du dich gibst in deinem Glanze kund
und eine rote Amsel flötet
so süß, als sänge wo ein Engelsmund.
Die Rosen werden blaß und blässer
und müssen wie ihr Duft vor dir vergehn
und alle fließenden Gewässer
bleiben auf einmal rauschend vor dir stehn.




Wie der dürstende Hirsch nach Wasser schreit,
schrei ich nach dir, Geliebte, doch du bist weit.

Durch den Wald meiner Sehnsucht stürme ich kreuz und quer,
doch alle Wiesen und Büsche sind von dir leer.

Und dennoch höre ich, wie du mich leise lockst,
wie du da und dort im flüchtigen Laufe stockst.

O du, meine Hindin, o du, mein weißes Reh,
wir werden beide verbrennen vor Sehnsucht im kalten Schnee.




Der Mond hat ganz vergüldet
dein Angesicht.
Du bist die Muttergottes
und bist es nicht.

Wohl steht dort noch die Wolke,
die dich gebracht,
es glänzt ihr helles Segel
durch Traum und Nacht.

Wohl tönt aus deinem Munde
ein himmlisches Gegrüß,
doch lächelst du mir wieder
so menschlich süß.

Der Mond hat ganz vergüldet
dein Angesicht -
du bist die Muttergottes
und bist es nicht.




Ein Neues will durch unser Dasein schreiten,
den Teppich Weltlust groß vor uns ausbreiten,
wie wiesengleich wird drauf das Schreiten sein.
Gott selber steigt herab die Jakobsleiter
als Kind, die Augen märchensüß und heiter,
mit Windeln aus gewebtem Sonnenschein.

Ein Kind wird kommen! Vers, von tausend Zungen
noch immer nicht so königlich gesungen,
daß ihn mein Herz nicht lauter, schöner singt.
Ein Kind, ein Kind! Wir jubeln es und sehen
ganz nahe eine Türe offen stehen,
aus der die Ewigkeit des Lebens winkt.

Doch ich will schweigen, was soll ich noch reden.
Stimmen, die einst durch meine Träume wehten,
sind Form geworden, die ein Wunder ist.
Ein nacktes Fünkchen, von der Nacht verwaltet
hat sich zu einem Lichte umgestaltet,
dessen Geleuchte keins von uns ermißt.




Ein Kind liegt in der Wiege,
uns beiden zugesellt,
viel Wunden und viel Siege
erstehen neu der Welt.

Die Augen mit den feuchten
Blauperlen süß und klar,
sie müssen nun schon leuchten
im Licht, das unser war.

Die Händchen mit den vielen
Rundgrübchen noch darin,
sie werden einst mit Schwielen
verstehn des Lebens Sinn.

Die Wunden und die Siege
sind wert nicht einen Schlag -
ein Kind liegt in der Wiege
und lächelt in den Tag.


  Alfons Petzold . 1882 - 1923






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Aus: Das neue Fest, Alfons Petzold