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A. De Nora
Ruhloses
Herz . 1. Auflage 1908
Winterfee
Kennst du dort
Das schneeweißwollige
Mollige Mädel?
Nimm dich in acht!
Das ist kein Kind
Sterblicher Menschen,
Die Winterfee ist's,
Schneekönigs Tochter
Und der Frau Freude,
Gebornen Jugend.
Aus ewigem Eis
Ist ihre Mütze,
Unter der warmen Winterjacke
Liegen zwei Brüstchen
Wie kleine Gletscher.
Schelmisch blinken
Die blanken Zähnchen,
Und gellend hallt
Ihr jauchzender Juhschrei
Über die Firnen.
Aber nimm dich vor ihr in acht!
Pfeilschnell fliegt auf flüchtigen Schlitten
Vor dir her die Flinke, du folgst ihr
Ahnungslos, da schwindet sie plötzlich,
Und du liegst kopfüber im Schnee.
In die Ferne verreist dein Rodel,
Doch im Ohre klingt dir ein Lachen,
Silbern, spöttisch und mitleidlos.
- Überm spiegelnden Eis der Seen
Auf dem stählernen Schlittschuh schwebt sie
Wie die Schwalbe dahin, du folgst ihr -
Plötzlich unter den Füßen brechen
Dir entzwei die kristallnen Dielen,
Dunkle Wasser schlürfen dich ein. -
- Über blaue blinkende Gletscher
Zu den Zinnen der Bergesdome
Strebst du stachelbewehrten Fußes,
Furchtlos führt die Kleine, du folgst ihr -
Plötzlich klaffen tückische tiefe
Spalten! Spielend schreitet sie darüber, -
Dich verschlingt der schweigende Schlund ...
Keines Sterblichen
Tochter ist sie!
Wohl verlockend
Leuchten die Lippen,
Und ihr Lächeln
Ladet zu süßen
Köstlichen Spielen.
Aber sieh!
In den schwarzen
Eisernen Augen
Wohnt die kühle,
Grausame Größe
Ewiger Götter.
A.
De Nora . 1864 - 1936
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