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Ruhloses Herz
162 Bücher



A. De Nora
Ruhloses Herz . 1. Auflage 1908



Die stille Stunde

Drei Uhr morgens.
Die stille Stunde der Stadt.
Fern im Osten,
Den niemand sieht,
Weit, weit hinter all den Häusern und Türmen
Dämmert der Tag,
Fahl,
Und schreibt an den dunklen Himmel
Mit leisen, kaum sichtbaren Zügen:
Ich komme.
Ein paar Bogenlampen,
Samenkörner des Mondes,
Die über die Straßen verstreut sind,
Fühlen sich noch
Als die Herren des Dunkels.
Und gespenstisch vorbei
Wandelt das spärliche Leben der Frühe.
An der Straßenecke
(Natürlich!) ein Schutzmann,
Der blinde Sohn
Seiner blinden Mutter
Justiz.
Aus einem Café
Kommt ein Trupp junger Leute
Lachend, lärmend;
Und während der Biedre
Wegen nächtlicher Ruhestörung
Die Namen aufschreibt,
Schleicht sich hinter ihm leise vorbei
Entlang den Häusern
Der Strolch. Der Nachtmahr.
Vielleicht klebt Blut
An seinen Händen.
Vielleicht ist's Thanatos selber,
Der hämisch lächelnd vorüberhuscht
Und im Nichts verschwindet?
Sie sehen ihn nicht.
Die hochnotpeinliche Namenserforschung
Der Ruhestörer
Ist wichtiger! Oh!
Und ist zu Ende.
Die jungen Lärmer verduften,
Und stumm an der Straßenecke steht wieder
Der Schutzmann.
Horch. Auf dem harten Asphalt
Klappert ein Schritt
Eines Reisenden, der zur Bahn eilt,
Topp topp topp ... und verhallt
In der Ferne.
Straßenkehrer
In kleinen Zügen rücken an
Und stellen sich schweigend
In lange Reihen.
Ganz unten, unten
Am Ende der Straße
Wandelt ein Pärchen. Langsam.
Enggeschmiegt. Den Schatz,
Der eine selige Nacht ihm gegeben,
Führt zu verschwiegener Rückkehr heim
Der Geliebte.
Lautlos
Auf dem glatten Pflaster radelt ein Radler
Schscht - vorüber - Frühtour ins Freie.
Und still ist alles.
Plötzlich ... Pff! Pff! Pff! Aus dem Dämmer
Tönt's, und leuchtet mit feurigen Augen,
Dann ein Stampfen, Rasseln, Puffen und Pusten
Rrrr ... Das erste Automobil,
Das Windhund gewordene Nilpferd,
Surrt in die Weite ...
An seinen Rädern
Überfahren, zerfetzt, zerschunden hängt
Die Stille.
Ein Recken, Strecken und Gähnen
Läuft durch die Glieder der Stadt,
Es ist als hörte
Man krachen die Pfosten und knistern
Die blaue Decke
Des Großstadthimmels.
Vom Turme
Schlägt eine Glocke,
Zwei, zehn, zwanzig von allen Türmen
Wie bellende Hunde
Geben Antwort:
Vier!
Die stille Stunde ist vorüber.


  A. De Nora . 1864 - 1936






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