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Hermann von Lingg
Schlußsteine
. 1. Auflage 1878
Nächtliche Stille
So still ist jetzt die weite Welt!
Die Frucht, die reif vom Baume fällt,
Hat kaum die Ruhe zu stören gewagt,
Und heimlich erst noch angefragt,
Ganz still ist geworden, und selber lauscht
Der Springbrunn, der noch eben gerauscht;
Die Mücken auch sind schon verstummt,
Die um die Kerze so lange gesummt,
Man glaubt das Schweigen zu hören, es lebt
Der Schatten des Zweiges, der leise bebt,
Es ist, als würde vom strengen Mund,
Vom Räthsel der Schöpfung etwas kund,
Als stiege dem Geist, der sie beschwor,
Das tiefste Geheimniß der Welt empor.
Schon seh' ich den Faden, der jedes Jetzt
In Einklang mit dem Ganzen setzt; -
Wie zur Allgegenwart zerrinnt
Die Zeit, die nicht mehr weiter spinnt,
Ich fühle des ewig Einen Bestehn,
In aller Erscheinung Flucht und Vergehn.
Und lebt denn so, was einmal bestand,
Nicht ewig weiter im Weltverband?
Rollt nicht, was einmal geschehen, so fort
Bis wieder in ein unendliches Dort,
Wo das Licht, das erlischt, der Ton, der verklingt,
Aufs Neue nur wieder ins Leben dringt?
Hermann
von Lingg . 1820 - 1905
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