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Schlußsteine
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Hermann von Lingg
Schlußsteine . 1. Auflage 1878



Das Geisterschiff

Auf einem Geisterschiffe bin
Auch ich einmal gefahren,
Vor vielen Jahren -
Ich seh es noch die Fluth durchziehn.

Es war im blauen Joniermeer,
Unfern von Corfus Küste;
Ja wenn ich noch wüßte,
Wie's hieß das Schiff? - Wo kam's nur her?

Aus Cadix, glaub ich, war's bemannt
Mit Volk aus allen Ländern,
Von weißen Gewändern
Erschienen die hageren Leiber umspannt.

Wer glaubt ihr, war der Capitän?
Napoleon war's, der alte,
Ein Mantel umwallte
Den Corsen, ich hab' ihn befehlen sehn.

Ich sah ihn bald zum Steuermann,
Bald vor ans Bugspriet kommen,
Denn schon erglommen
Schwarzrothe Wolken, ein Sturm begann.

Die Blitze fuhren kreuz und quer,
Die Donner rollten, es bäumte
Sich auf, es schäumte
Wie von den Furien gepeitscht das Meer.

Im Schiffsraum stand in all' dem Grau'n
Wie Titian sie malte,
Die Holdumstrahlte
Das Urbild aller schönen Frau'n.

Sie sang ein Lied, da ruhten schier
Still horchend die Sturmesgeister,
Ein hoher Meister,
Beethoven war's, stund neben ihr.

Lord Byron auch war mit an Bord,
Er lauschte bald den Wogen,
Bald vorgebogen,
Auf jeden sanfteren Mollakkord.

Es klang ihr Lied von Söhnen des Lichts,
Von Thaten großer Herzen,
Von heiligen Schmerzen,
Und wie das Alles - Schaum und nichts.

Von Schönheit, Liebe, Ruhm und Macht,
Den stolzen Meteoren -
Wie traumverloren
Erklang ihr Lied in die Sturmesnacht.

Urplötzlich kam ein Blitz, es schien,
Als bräch' in lauter Flammen
Das Schiff zusammen,
Ich sank betäubt zu Boden hin.

Der Tag brach an, hoch ging das Meer,
Gar seltsam umflogen,
Ein Riff in den Wogen
Die Wolken wie ein Geisterheer.


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905






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