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Gedichte, Lyrik, Poesie

Schlußsteine
162 Bücher



Hermann von Lingg
Schlußsteine . 1. Auflage 1878



Am Ufer

1.

Wenn hier der Abendstern mit sanften Gluthen
Im Süden über Berghöhn flammt, und theilt
Mit einem lichten Streif die dunklen Fluthen,
Wie glücklich, dünkt mir, wer bei dir verweilt,
Mein schöner See, und horcht dem Wellenschlage
Der Friedensstille nach vollbrachtem Tage!

In Mittagsländern kaum, am Meergestade
Mag reizender als hier die Nacht verglühn;
Doch Wen'gen nur vergönnt des Himmels Gnade,
Auch auszuruhn hier nach des Tages Mühn,
Und wenn des Herzens Stürme nicht mehr wehen,
Die Lebensflamme still verglimmen sehen.


2.

Die Furchen, die das Schiff zieht durch den See,
Verschwinden bald im Schaum der Welle,
Des Mondlichts Glanz aus unumwölkter Höh'
Bleibt auf der Fluth die ganze Nacht in Helle,
Wie viele Freuden lassen kaum die Spur zurück,
Und unvergänglich ist allein
Der Seele rein empfund'nes Glück
In der Erinnerung sanftem Wiederschein!


3.

Dunkel über dunkle Wogen
Lagern sich die Wolken schwer,
Doch es kommt kein Sturm geflogen,
Und kein Blitzstrahl leuchtet her;
Einsam ragt die morsche Mauer
Am Gestade dort empor,
Aber nur verklung'ne Schauer
Schaun aus ihr hervor.
Und da grüßt ihr gramdurchdrungen
Dunkle Augen mich, o sagt,
Welch ein Meer Erinnerungen
Stumm aus eurer Tiefe klagt?

Sind nicht längst verharrscht die Wunden,
Ausgeklungen Schmerz und Ach?
Ueber jene fernen Stunden
Wird kein Sturm, kein Blitz mehr wach!


4.

Kähne gleiten auf und nieder
Durch den See beim Ruderschlag,
Sie begegnen sich, und Lieder
Tönen in den heitern Tag.
In smaragdner Helle blinken
Wellen um den Bord empor,
Holde Blicke grüßen, winken
Aus des Schleiers Nacht hervor.

Möcht' ich so, wär's auch nach Jahren,
Wär' es auch im Sturmeswehen,
Grüßend dir vorüberfahren,
Einmal noch dich wiedersehen!


  Hermann von Lingg . 1820 - 1905






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