Gedichte.eu Impressum    

Gedichte, Lyrik, Poesie

Bunte Beute
162 Bücher



Detlev von Liliencron
Bunte Beute . 1. Auflage 1903



Der Zug zum finstern Stern

(Sommer 1250)

1.

Nacht. Überm Walde brennt das Schloß,
König Erich berennt den Turm.
Es schwirrt der Pfeil, es stampft das Roß,
Die Leitern haken zum Sturm.

In Syrien fern der Burgherr trieb
Die Sarazenenbrut.
Sein Schild fing manchen Heidenhieb
In asiatischer Glut.

Palle Rosencrantz mit der Eisenschar
Ließ schützen er Wall und Weib.
Palle Rosencrantz tat, was möglich war,
Nun liegt zerstückt sein Leib.

Dem roten Hengst auf dem Sattelbug
Legt König Erich den Raub:
Der rote Hengst zwei Menschen trug
Durch Haidkraut und grünes Laub.

Noch fraß die Sonne nicht den Tau,
Die Wiesen rauchen im Tal.
Am Panzer des Königs die ohnmächtige Frau
Ist Lauges, des Burgherrn, Gemahl.

Sie beißt, sie kratzt, sie wehrt sich: Du Hund!
"Sachte, mein Täubchen, nur sacht."
Und schon hängt sie girrend an seinem Mund,
Auch hier gewann Erich die Schlacht.

Ein Jagdhaus im Moor, von Erlen umstickt,
Ein Kolk mit Wildenten davor,
Wo die Wasserschwertlilie im Morgenwind nickt
Und die Ralle rötert im Rohr.

Da haben die beiden ein gutes Versteck,
Die Wache fällt drohend den Spieß,
Daß sich keiner erkühn und fürwitzig erkeck
Und eindring ins Paradies.

Was fährt der König aus Kurzweil und Traum
Und greift zur Axt in Hast?
Er sieht ein Schiff im Wellenschaum.
Ritter Lauge steht am Mast.


2.

Die Fischer werfen die Netze aus
Und hoffen auf reichen Gewinn.
Die Fischer ziehen die Netze heraus,
Ein König liegt darin.

Sie rudern rasch zum nahen Strand
Und lassen Dorsch und Lachs,
Und legen den König auf den Sand,
König Erich sieht aus wie Wachs.

Sie horchen, ob sein Herz noch klopft,
Doch steckt der Dolch zu tief.
Aus seinen Locken das Wasser tropft,
Und allzufest er schlief.

Und von Missunde rufen sie
Den Priester vom Altar,
Der sinkt bei der Leiche fromm aufs Knie
Und küßt das nasse Haar.

Noch sickert es vom blauen Samt
Des Königs in Rinn und Rill.
Stumm pro Defuncto hält das Amt
Der Mönch und betet still.

Die Fischer nennen noch heute den Tag
Den Zug zum finstern Stern,
Als ein König in ihren Netzen lag,
Als sie fanden den edeln Herrn.


  Detlev von Liliencron . 1844 - 1909






Gedicht: Der Zug zum finstern Stern

Expressionisten
Dichter abc


Liliencron
Der Haidegänger
Neue Gedichte
Bunte Beute

Intern
Fehler melden!

Internet
Literatur und Kultur
Autorenseiten
Internet





Partnerlinks: Internet


Gedichte.eu - copyright © 2008 - 2009, camo & pfeiffer

Der Zug zum finstern Stern, Detlev von Liliencron