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Gedichte, Lyrik, Poesie

Buch der Zeit
162 Bücher



Arno Holz
Buch der Zeit . 1. Auflage 1886



Zum Ausgang

Ein Stück von meinem Selbst ist dieses Buch
Und roth von meinem Herzblut jedes Lied,
Mit ihm stell ich mich kühn in Reih und Glied -
Der Dichtkunst Segen ward in mir zum Fluch!

Doch sei's, ich trag's. Nicht wär ich ein Poet,
Wollt ich mich anders geben, als ich bin;
Auch liegt ein Wort, ein altes, mir im Sinn:
Oft hilft ein Fluch uns mehr als ein Gebet!

Und wahrlich, diese Zeit gleicht jener nicht,
Die uns das Alterthum als goldne pries,
Denn jeder Lüge lacht ein Paradies
Und jeder Wahrheit droht ein Hochgericht!

Schon küßt die Welt ein bleiches Abendroth,
Die alte Griechensonne des Homer
Hat sich ertränkt ins teifundunkle Meer,
Und seine Sense schärft der schwarze Tod.

Kein Stern, der farbig durch die Wolken bricht,
Kein Traum, der kühlend um die Schläfen weht,
Kein Lied, das Wunder thut wie ein Gebet,
Kein Herz, das heimlich mit sich selber spricht!

Doch tappt sich hüstelnd durch die dunkle Nacht
Ein böses Ding und pocht an deine Thür
Und zischt wie eine Viper: "Komm herfür,
Ich bin das Herz, womit die Sünde lacht!

Ich weiß, auch du bist nur ein Kind der Zeit,
Das mit der Welt und mit sich selber grollt;
Ich aber wate bis ans Knie in Gold
Und höre, wie dein Herz nach Wollust schreit.

Komm mit, in meinem Lusthaus wohnt das Glück:
Du trittst hinein, und singend drehn um dich
Vielhundert weiße Dirnenleiber sich
Und schlank wirft sie mein Spiegel dir zurück.

In dunkler Nische küßt es sich so schön!
Und folgst du, süßer Junge, mir, dann klingt,
Wenn einst dein Herzschlag müde wird und hinkt,
Dein Todesröcheln noch wie Lustgestöhn!"

So bläst es frech dir nachts durchs Schlüsselloch,
Der Regen rinnt, ums Dachwerk heult der Sturm,
Dir aber war's, als ob ein feister Wurm
Dir todtkalt übers warme Herz hin kroch.

Und zornig springst du auf und schlägst dir Licht
Und prallst zurück, geekelt und entsetzt,
Denn vor dir steht, triefäugig und zerfetzt,
Ein altes Weib und grinst dir ins Gesicht.

Dann schreist du auf, denn dumpf hast du gefühlt,
Wie dir ein Etwas kalt die Kehle preßt:
"Heb dich hinweg von mir, du bist die Pest!
Du bist die Pest, die sich in Leichen wühlt!"

Sie aber höhnt: "Pardon, Herr Optimist!
Das ist die Frau von meinem Schwiegersohn!
Nein, ich bin mehr, ich bin die Corruption!
Die Corruption, die dich lebendig frißt!

Schon küßt die Welt ein bleiches Abendroth,
Die alte Griechensonne des Homer
Hat sich ertränkt ins teifundunkle Meer,
Und seine Sense schärft der schwarze Tod.

Kein Stern, der farbig durch die Wolken bricht,
Kein Traum, der kühlend um die Schläfen weht,
Kein Lied, das Wunder thut wie ein Gebet,
Kein Herz, das heimlich mit sich selber spricht!

Doch tappt sich hüstelnd durch die dunkle Nacht
Ein böses Ding und pocht an deine Thür
Und zischt wie eine Viper: "Komm herfür,
Ich bin das Herz, womit die Sünde lacht!

Ich weiß, auch du bist nur ein Kind der Zeit,
Das mit der Welt und mit sich selber grollt;
Ich aber wate bis ans Knie in Gold
Und höre, wie dein Herz nach Wollust schreit.

Komm mit, in meinem Lusthaus wohnt das Glück:
Du trittst hinein, und singend drehn um dich
Vielhundert weiße Dirnenleiber sich
Und schlank wirft sie mein Spiegel dir zurück.

In dunkler Nische küßt es sich so schön!
Und folgst du, süßer Junge, mir, dann klingt,
Wenn einst dein Herzschlag müde wird und hinkt,
Dein Todesröcheln noch wie Lustgestöhn!"

So bläst es frech dir nachts durchs Schlüsselloch,
Der Regen rinnt, ums Dachwerk heult der Sturm,
Dir aber war's, als ob ein feister Wurm
Dir todtkalt übers warme Herz hin kroch.

Und zornig springst du auf und schlägst dir Licht
Und prallst zurück, geekelt und entsetzt,
Denn vor dir steht, triefäugig und zerfetzt,
Ein altes Weib und grinst dir ins Gesicht.

Dann schreist du auf, denn dumpf hast du gefühlt,
Wie dir ein Etwas kalt die Kehle preßt:
"Heb dich hinweg von mir, du bist die Pest!
Du bist die Pest, die sich in Leichen wühlt!"

Sie aber höhnt: "Pardon, Herr Optimist!
Das ist die Frau von meinem Schwiegersohn!
Nein, ich bin mehr, ich bin die Corruption!
Die Corruption, die dich lebendig frißt!

Was hat man doch nicht alles schon verdaut!
Recht! Wahrheit! Ehre! Freiheit und so fort!
Doch ist gesetzlich mein Metier, der Mord,
Denn jeder König nennt mich "süße Braut"!

Doch bist du klug, dann geize nach Applaus
Und gieb's nicht weiter, was ich dir entdeckt,
Sonst wirst du sans facon ins Loch gesteckt
Und deine liebe Mitwelt lacht dich aus.

Im härenen Gewand seh ich dich stehn,
Dein Wappen ist ein weißes Todtenbein -
Du Thor, willst du denn einzig Büßer sein,
Indeß die Andern sich im Taumel drehn?

Zerbrich den Fetisch, den du selbst geschnitzt!
Die Welt ist eine große Illusion,
Drum küsse lachend dich auf ihren Thron,
Auf dem das Glück, die goldne Metze, sitzt!

Das bunte Traumbild deiner Phantasie,
Ich will ihm Fleisch und Blut und Leben leihn,
Nur stammle einmal: Mutter, ich bin dein!
Und wirf dich betend vor mir auf dein Knie!"

So wälzt von deiner Brust sie Stein um Stein,
Sie schnitzt sich Pfeile und sie weiß, sie trifft,
Und immer tiefer tropft sie dir ihr Gift
Durchs offne Ohr ins offne Herz hinein.

Du aber stehst und brütest vor dich hin
Und fühlst, wie dir das Blut zu Eis gefriert,
Und ehe noch der Hahn kräht, triumphirt
Die dreimal zischelnde Versucherin.

Vergessen hast du nun den alten Schwur,
Den deine Jugend einst zum Himmel that,
Durch deine Adern wühlt der Selbstverrath
Und dir im Herzen thront die Unnatur.

Todt ist es, todt! Dein Bauch ist dein Idol
Und dein Gewissen wie dein Goldgeld rund,
Du liegst im Staub und wedelst wie ein Hund
Und Lüge, Lüge lacht dein Weltsymbol.

Du streichst dein Kinn und zupfst an deinem Bart
Und siehst im Spiegel lächelnd dein Gesicht
Und räusperst dich und merkst es selber nicht,
Daß jeder Zoll an dir zum Schurken ward.

Du bist ein Schuft, den nicht sein Handwerk reut,
Ein Schuft, der's gut meint mit der "bösen" Welt,
Ein Schuft, der sich für furchtbar ehrlich hält,
Und so wie du, sind's Millionen heut!! ....

Ihr lebt ja alle, alle nur vom Schein
Und heult und winselt: Recht hat nur die Macht!
Und Euch soll dieses Buch ein Anker sein,
Ein Hoffnungsanker, der den Sturm verlacht??

Ich Thor! daß ich, gerührt vom Schrei der Noth,
Mein warmes Herzblut in mein Lied verspritzt!
Daß ich nicht donnerte, daß ich geblitzt!
Daß ich euch Kampf bot, Kampf bis in den Tod!

Nun wird dies Buch, verlästert und verkannt,
Von Herz zu Herz um Liebe betteln gehn,
Vor vielen Thüren wird es trauernd stehn,
Nur hie und da drückt's eine Freundeshand.

Und doch, was fasl' ich da? Ihr habt ja Recht!
Es ist zu wenig á la mode-kost,
Es ist kein nachgemachter Talmimost,
Und seine Thränen sind mitunter echt!

Ich weiß, daß heut Begeistrung schnell verdampft,
Vielleicht ist's schon mit diesem Ding vorbei,
Ist's doch kein alter Mythologenbrei,
Scenifizirt und in Musik gestampft!

Und doch: wenn diese Blätter auch verwehn,
Die Frühlingsthatkraft, die sie werden ließ,
Die Gottidee, die sie erstarken hieß,
Sie kann und darf und wird nicht untergehn!

Schon wirft sie leuchtend durch den Zeitengraus
Fern in die Zukunft ihren Feuerschein -
Ihr will ich jubelnd mich zum Priester weihn,
Ihr gieß ich trunken dieses Opfer aus!


  Arno Holz . 1863 - 1929






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