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Gustav Falke
Das
Leben lebt . 1. Auflage 1916
Dichters Dankgebet
Die du erhabenen Fluges
über Sternen schwebst,
oder gelassenen Schrittes,
freundlich lächelnd,
wandelst zur Seite mir.
Immer liebte ich dich!
War nicht des Knaben erstes
ungeschicktes Lallen dein Lob?
Waren Danklieder nicht
seine stammelnden Worte,
wenn er ahnungsvoll
in seinen Kinderspielen
deine reiche Welt vorwegnahm?
Umschwebte nicht
unsichtbar sichtbar
immer deine
himmlische Liebe
leitend den Jüngling?
Streutest du nicht
immer spendend
tausend Blüten auf seinen Weg?
Ließest ihm reifen nicht
schwellende Frucht,
rieseln nicht seinem durstenden Gaumen
köstliche Quellen?
An seinem Himmel
tausend Sterne,
freundlich strahlend,
entzündetest du;
um seinen Scheitel
wärmend,
leuchtend,
Sonnenglut
wob ihre Lichter,
tobten Winterstürme,
flockenwirbelnd,
zogen feurige,
schmetternde Blitze
ihren blendenden Weg.
Und rein, fromm -
war es nicht dein Blick,
der aus seines Mädchens
unschuldigen Augen
ihn ansah,
tief,
tief bis ins Herz?
Weh! Es irren
wir Sterblichen alle,
so lange wir wandeln
auf Erdenwegen,
haltlos und ratlos,
ein schwächlich Geschlecht,
minder jener,
dem von umsonnter
Wiege sich golden
wölbt die Brücke
über des Daseins Tiefen hinweg
bis ins glückliche Alter.
Wem aber Nacht
den wechselnden Pfad umschattet
und Kampf umtobt,
leichter fällt er in Schuld.
Zürnst du?
Zürnst dem Strauchelnden,
der am Boden sich windet
in Qualen der Reue?
Ach! es dürfen
reine Hände nur
deines heiligen Amtes walten;
wem aber Schuld umstrickt
die geängstete Seele,
ihm verzehrt
in schwelenden Dunst sich
die göttliche Flamme.
Es schmähen so gerne
die Menschen und richten.
Selten weitet
Mitleid ihnen
das enge Herz.
Aber die Hohen,
Göttergeborenen
sehen verstehend
mit alles durchdringendem
Blick in die offene
Seele des Menschen,
und auf die flehend
erhobenen Arme
neigen sie hilfreich
erbarmend sich nieder.
Neigst dich,
winkst mir!
Wie von besonnten
Fluren die dunklen
Schatten der Wolken,
flieht deines Zornes
trübender Hauch dir
von der erhabenen,
leuchtenden Stirne.
Dürre brennt,
und duftlos
schmachtet am Boden
die bleichende Blüte,
aber aus feuchtem
Gewölke oben
rieselt's, und rings
atmen erquickt
die Gefilde und duften.
Dank! Dank!
Überm Staub wandeln dürfen,
losgerissen
seinen umklammernden Armen.
Wiedergeboren
ein neues Leben!
Neigst dich,
winkst mir!
Wie's empor mich reißt,
entgegen reißt
deinen tränkenden Brüsten.
Und ich trinke,
und ich lebe,
und du hältst mich,
und du führst mich,
über Tiefen,
über Wogen
meinen Weg.
Gustav
Falke . 1853 - 1916
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