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Gedichte, Lyrik, Poesie

Erlebte Gedichte
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Otto Julius Bierbaum
Erlebte Gedichte . 2. Auflage 1903



IV.

Epistel von meinem Glücke.

(An Detlev Liliencron.)

Schreiben muss ich im Tanztakt, Lieber,
Tanzen muss ich die Feder lassen,
Denn ich bin glücklich.

Hätt' einen Hengst ich, ich liess' ihn satteln,
Ueber die nächtigen Felder ritt' ich,
Söge die Sommernachtluft im Trabe,
Riefe ins Dunkel der Nacht mein Glück.
Aber kein Reitross steht mir im Stalle,
Nur einen klapprigen Klepper hab' ich,
Jenen berüchtigten, aar-schwingenruppigen,
Vielgeschundenen, flechsenverdehnten,
Durchgesessenen, hinterhandhinkenden,
?p?p??,?p?p??: Pegasus.
Den nun lasse ich vor dir tanzen,
Wie er's vermag, der unglückselige,
Schwinge mich ihm auf den dürren Rücken.
Vor mich nehme ich: SIE.
SIE!
Zierlich setzt sie den Fuss in den Bügel,
Greift in die alte, dünnhaarige Mähne,
Schwippt mit der Gerte die ledernen Flanken,
Hopsa, nun gehts über Stock und Stein.
Nein!
Bleibe zu Hause mein Hippogryphe,
Kaue Vergissmeinnicht von der Raufe,
Friss du in Ruhe dein Gnadenbrod.
Aber die Feder, die Feder soll tanzen,
Singen und sagen will ich mein Glück.
Langsam, langsam! Was soll das Tollen.
Hübsch gemächlich wähl ich den Takt mir;
Will der Trochäus zum Daktylus hüpfen,
Nehm' ich in Selbstzucht meine Gefühle,
Leite mich um in jambischen Trott:
v - v - v - v - v - v -
Die Sommernacht ist allen Friedens voll,
Viel tausend Sterne stehn am Himmelsplan,
Und jeden Sternes Augenzwinkerlicht
Ist mir ein Gruss aus aller Welten Glück:

Die Welt ist glücklich, denn die Welt ist schön,
Die Welt ist glücklich, weil ich glücklich bin.

Klagt da ein Ruf aus dunkler Ferne her?
So komm zu mir, der du in Schmerzen schreist.
Schau in mein Herz, da flammt der Liebe Licht,
Wärm deine Not an meines Herzens Herd.
Komm und sei glücklich, weil ich glücklich bin.

Wer murrt da in der Ecke? Schweige, Tropf;
Ich kenne dich, du liebst das Eckenstehn,
Das aus der Ecke Schielen auf das Glück
Und dumpfes Murmeln; schweige, dunkler Geist
Der faulen Dummheit, die nicht fliegen kann
Und neidisch allem Flügelfrohen ist.

Du schimpfst das Glück, weil du es nicht verstehst.
In Käseblättern schmierst du dich herum
Und prahlst auf weithinragender Tribüne,
Doch stets geduckt. Ich hör', ich hör' dich nicht.
Denn ich bin glücklich.

Was ist mein Glück? Ein braunes Augenpaar,
Ein warmer Druck von einer weissen Hand
Und Sehnsuchtsfeuer, das von Lippen glüht,
Die meinen Lippen gern Genossen sind,
Geschwisterlich in heissem Kuss geeint.

Dass ich es bannen könnte, dieses Glück,
In einen Vers ausgiessen golden klar
Und unvergänglich, aller Menschheit Gut.
Und doch mein Eigen! Keiner rühre dran!
Ich schlag ihn todt, bei Gott, den geilen Hund,
Der mir mit frecher Hand mein Glück berührt,
Ich schlag ihn todt, den Sonnenfrevler todt!..

Jagt mich mein Glück aus Liebe so in Wuth?
Macht mich verrückt mein Glück, dass ich umarmen
Die ganze Welt in Heilandsgluthen möchte
Und in Umarmung pressen in den Tod?...

Dies Glück ist wie Natur: in Liebe grausam,
Wollüstig wüthend. Oh du grausam Glück!
Dich selber möcht' ich morden, peinigen,
An deinem Sterbezucken mich erfreun,
Hinröcheln meinen letzten Athemzug
In deinen Tod, vergehn, vergehn mit dir!

Da blick ich in die schöne Sommernacht,
Ins Sterneschweigen, in den dunkeln Frieden,
Der seine Schleier schlägt um alles Sein.
Und ruhig werd' ich. Aller Welten Glück
Erahn' ich wieder, wieder schenkt mein Herz
Des stillen Heerdes freundlich liebe Wärme.

Als kehrt' ich heim, von einem heissen Ritt
Ist mir zu Muthe jetzt. Es hat mich durchgerüttelt.
Und mir im Arm liegt sie, so müd, so hold.

Gehn wir nun schlafen, Schatz? Ach, wie sie gähnt.
Und ihren braunen Augen deckt sich leicht
Der schwarzen Wimpern Schutz. Wir gehn zu Bett.


  Otto Julius Bierbaum . 1865 - 1910






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Epistel von meinem Glücke, Otto Julius Bierbaum